In den älteren Chroniken Hamburgs und auch Lübecks wird von Überfällen, Gewalttaten und Fehden, auch von Kriegszügen und dem Brechen von Burgen berichtet. Die neueren Chronisten haben jene Berichte getreulich übernommen und von dort haben diese Nachrichten zusammen mit einigen urkundlichen Überlieferungen ihren Weg in die Orts- und Heimatgeschichte und in die Schulbücher gefunden. Hierbei geht eine viel verbreitete Ansicht etwa dahin, mittelalterliche Burgen seien angelegt, um friedlich des Weges ziehende Warenzüge der Kaufleute überfallen und ausplündern zu können, um den Bauern ungestraft ihre Habe zu nehmen oder das Vieh wegzutreiben. Die übliche Bezeichnung „Raubburgen“ ergibt für deren Bewohner den weit verbreiteten Ruf der „Raubritter“, deren Erwerbsquelle eben der planmäßige Überfall und der nach heutigem Recht mit schwerer Zuchthausstrafe bedrohte Straßenraub sei. Dabei sollte beachtet werden, dass der Begriff „Raubritter“ erst Ende des 18. Jahrhunderts erstmalig auftaucht, als es schon gar keine Ritter mehr gab.

Die folgende Darstellung in Verbindung mit dem Artikel über das Fehdewesen soll belegen, dass die Scharpenbergs keineswegs kriminelle Straßenräuber waren sondern ein angesehenes Rittergeschlecht, das sich sein Recht über das damals gängige Fehdewesen erkämpfte. Deshalb habe ich einmal einen kurzen Abriss über das Leben der Scharpenbergs zusammengestellt aus Passagen, die ich dem folgenden Dorfbuch entnommen habe.

Niendorf an der Stecknitz
1192 - 1994
von Jens Ulbricht
Herstellung: Wachholtz Druck GmbH, Neumünster.

Die Familie (von) Scharpenberg im Kreis Herzogtum Lauenburg

Am 21. Dezember 1259 erscheint der Name „Scarpenberch“ erstmals nördlich der Elbe in einer Urkunde unter den Rittern und Knappen („Milites et Famuli“) der Grafen Johann I. und Gerhard I. von Holstein und Schauenburg. Der Ursprung des Namens ist unbekannt. Im Zuge der Kolonisation wanderten sie vermutlich aus Westfalen zu. Die Scharpenbergs waren in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine bedeutende Familie. Ihr Wort wurde in Holstein, Lauenburg und Mecklenburg gehört. Eine Scharpenberg Tochter war mit dem Hamburger Bürgermeister Hartwich von Ertheneborg verheiratet, eine weitere mit einem Mitglied des Hamburger Domkapitels. Heyno von Scharpenberg war Vogt unter Graf Johann II. von Holstein auf der Steinburg bei Itzehoe. Er galt 1340 als enger Vertrauter König Waldemars IV. von Dänemark. Die Familie Scharpenberg besaß weitreichendes Land um ihre Hauptsitze Linau, Seedorf, Rieps (Krs. Gevesmühlen) und Pritzier (Krs. Hagenow). Zu Heyno Scharpenbergs Lebzeiten um ca.1320 verfügten die Scharpenbergs im Linauer Raum über sechs Dörfer bzw. Höfe, die einen geschlossenen Komplex bildeten. Es handelt sich um Linau, Wentorf, Schonenberge, Nannendorp, Koldenhove und Eekenhorst. Nur Linau und Wentorf blieben bis in die Gegenwart kontinuierlich besiedelt. Auf der Gemarkung des einstigen Schonenberge erfolgte im 16. Jahrhundert die Neugründung des Dorfes Schönberg. Von Schönberg ausgehend entstand dann auf dem einstmals Nannendorper Feld die Siedlung Franzdorf. Koldenhove und Eekenhorst hingegen vergingen völlig und wurden teilweise vom Wald der Hahnheide bedeckt. 1319 ist die Kirche in Linau erstmals urkundlich erwähnt. Nach Prange (1960) soll sie nur die Bewohner des Dorfes Linau versorgt haben, da 1389 Schonberge, 1423 Wentorf zu Sandesneben eingepfarrt wurden. 1924 wurden in Linau im Zuge von Bauarbeiten christliche Reihengräber entdeckt. Sie dürften vom Friedhof der einstigen Linauer Kirche herrühren. Demnach stand das Gotteshaus östlich des Dorfangers.

Zeitweise geboten die Scharpenbergs über die Stadt Barth in Vorpommern (westl. von Stralsund, an der Ostsee). Die große ländliche Krise seit etwa 1350 führt auch zum Machtverfall der Familie Scharpenberg. Viele Dörfer vergingen in jener Zeit. Doch schon im 15. Jahrhundert saßen die Scharpenbergs wieder an einigen Schalthebeln der Macht.


ca. Anno 1375 : Heyno Scharpenbergh ermahnt den Rat der Stadt Lüneburg, ihm seine Schulden zurückzuzahlen und erbittet Antwort durch seinen Wirt Johen Semmelbecker.

Ritter Johann Scharpenberg gerät 1410 als einer der wenigen Anführer des dänischen Heeres in friesische Gefangenschaft. Wahrscheinlich gehörte der Komtur (Leitender Ordensritter) des deutschen Ritterordens Walrave v. Scharpenberg auch zur Familie. Von 1424 - 1448 amtierte ein Henning Scharpenberg als Erzbischof von Riga. Vollrath Scharpenberg gehörte im 15. Jahrhundert lange Zeit zu den engsten Vertrauten der Lauenburger Herzöge und wird wiederholt als Vogt und Rat genannt. Er verkaufte 1471 den Linauer Besitz an Herzog Johann IV. von Sachsen-Lauenburg. Nachdem der Herzogssohn Erich II. von Sachsen-Lauenburg 1508 zum Bischof nach Münster berufen worden war, zogen seine Gefolgsleute, die Brüder Hans und Ludolf Scharpenberg, mit ihm ins Emsland und erhielten das Gut Heede, indem sie dort einheirateten. Bis zum Verkauf ihres Gutes Niendorf 1670 blieben beide Besitze meist in einer Hand.

Das Wappen der Scharpenbergs zeigt eine silber und rot geschachtete Pfeilspitze auf blauem Grund - einen „Strahl“. Die Pfeilspitze ist hier nicht als ritterliche Waffe gemeint und läßt die Herkunft aus ursprünglich nicht ritterlicher Gefolgschaft bei den Schauenburger Grafen vermuten. Das Wappenbild ist seit den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts bei 18 Familien nörlich der Elbe nachgewiesen worden.

Hier finden Sie eine graphische Darstellung des Stammbaumes der Ritter von Scharpenberg - soweit mir bekannt.

Die Fehden der Scharpenbergs

Die Geschichte Hamburgs und Lübecks zeugt von Plünderungen, Brandschatzungen, Überfällen und Verwundungen bis hin zum Totschlag durch die Scharpenbergs. Solange dies angesagte Ritterfehden waren galten sie im 14. Jahrhundert als rechtmäßig. Fehden dienten zur Durchsetzung des Rechts mit Waffengewalt, s. Das Fehdewesen im Mittelalter. Erst durch gewöhnliche Straßenräuber und in Fehdezeiten „verwilderte“ Söldner und Ritter wurden die Straßen ständig unsicher - zu Lasten der Scharpenbergs, die nun für alles verdächtigt wurden. Dennoch: Schon im Jahre 1291 wurden die zwei Scharpenberg Burgen in Linau und Nannendorp, d.h. die „Steinburg“ bei Franzdorf als bedrohlich angesehen. Von ihnen und anderen Burgen lauenburgischer Ritter seien Räubereien ausgegangen. Nicht allein vor Ort auf den Straßen, sondern auch in den Ländern einiger Fürsten von Mecklenburg und Schwerin sowie an der Stadt Lübeck.

Gemeinsam rangen die Leidtragenden ihren Peinigern einen Vertrag ab mit dem Ziel, die Burgen zu zerstören und alle Burggräben einzuebnen. Dies Vorhaben wurde offensichtlich auch ausgeführt, dennoch war bald darauf alles wieder beim Alten. Denn die Brüder Ludolf und Hennik Scharpenberg urkundeten 1330 „in castro nostro Lynowe“ schon wieder den Verkauf einer Rente aus dem Hamburger Zoll an das Hamburgische Domkapitel.

Bis zum Jahr 1347 gingen sie friedlich, ja freundschaftlich mit den Lübeckern um, Linau war eine offene Burg. Hinrich von Scharpenberg focht 1306 an der Seite Lübecks und Ludeke von Scharpenberg stand später im Bündnis mit Lübeck und Hamburg gegen die holsteinischen Grafen. Bei aller Verbundenheit - wie kam es zum Wandel und zur Feindschaft ?

Die Akten des großen Hamburger Domkapitel Prozesses (s. links) gegen den Rat der Stadt von 1338 - 1355 geben Einblick: Ursache war eine Fehde zwischen dem Grafen von Holstein und Heyno von Scharpenberg, der als früherer Burghauptmann oder Militärführer „capitaneus“ des Grafen noch Geld von ihm forderte. Er eröffnete eine Fehde gegen den Grafen und machte im Rahmen dieser Fehde die Straßen nach Hamburg und Lübeck unsicher. Ein Hamburger Ratsschreiber und sein Diener wurden von den Rittern der Scharpenbergs arg geschunden, verwundet und ihrer Pferde beraubt. Ebenso erging es einem Pfarrer aus Rendsburg und einem Notar des befehdeten Grafen Gerhard. Die Scharpenbergs sollen die Vorfälle aber bedauert und die Überfallenen freigelassen haben. Dennoch lief das Faß über.

Vier Knappen aus der Burg Linau unternahmen angeblich mit einigen Scharpenbergs - denen sie aber nicht dienten - und Krummendieks vor Hamburg einen Raubzug. Hamburger Bürger wurden überfallen, verwundet, auch getötet. Aus den Dörfern Barmbek, Barsbüttel, Jenfeld und Hinschenfelde stahlen sie Ochsen, Kühe, Schafe, Ziegen und Schweine. Auch in Haslo, Hummelsbüttel, Wedel, Rellingen und Wulksfelde richteten sie Schaden an. Aber die Hamburger setzen ihnen nach und nahmen die vier Knappen mit Henneke von Scharpenberg auf Burg Linau gefangen, nicht ohne einige Pferde mitgehen zu lassen. Die Ritter von Scharpenberg mußten alle Schäden begleichen.

Der Ruf der Scharpenbergs litt weiter unter einigen „offenbaren Straßenräubern“ aus den eigenen Reihen, allen voran Henneke, der ein wahrlich kantiger Bursche gewesen sein muß. Seit 1347 geht das friedliche Verhältnis mit beiden Städten „zügig zum Teufel“, und in die aufkommende Fehde mit dem mächtigen Rittergeschlecht von Scharpenberg werden alle übrigen sachsen-lauenburgischen Adeligen hineingezogen. 1349 erobern und zerstören die Lübecker in zehn Tagen acht Ritterburgen (Zecher, Neydorp (Niendorf/Schaalsee), Steinhorst, Culpin, Gudow, Nannendorp, Borstorf, Lanken), darunter eben Nannendorp, Godschalk von Scharpenbergs „Steinburg“, die in seiner Abwesenheit zerstört wird. Die stärkste Burg Linau, auf der die sieben wehrhaften Söhne der Brüder Heyno und Ludolph leben, steht noch wie ein Fels in der Brandung.

Am 29. März 1349 söhnten sich die Scharpenbergs mit dem Domkapitel zu Hamburg aus und versprachen Schadenersatz für bessere Zeiten. Doch schon am 10. August 1349 schließen sich Lübeck und Hamburg zusammen zum Ansturm auf Linau am 8. September 1349 mit 1.500 Mann und den Scharen der drei holsteinischen Grafen Gerhard, Johann III. und Adolf, zusammen 2.500 Mann. Hamburg stellt dabei 1.000 Mann, eine „Blide“ (Bogenwurf Schleudermaschine für Steinkugeln) und ein „driwen werck“ (eine Art großer Armbrust, mit der man Stangen oder Balken gegen die Burgmauern schoß). Am 29. September 1349 wird Linau erobert und zerstört. Die Ritter entkommen und fliehen zu den Herzögen von Mecklenburg. Dort sinnen sie auf Rache. Sie ziehen plündernd und brandschatzend durch die Dörfer des Hamburger Ratsherrn Daniel vom Berge. Ohlsdorf, Klein-Borstel, Winterhude, Steilshoop, Farmsen und Fuhlbüttel müssen dafür herhalten. Rinder, Schafe, Schweine und Pferde werden weggeführt. Der Schaden beträgt 600 Goldgulden. Damit nicht genug. Alle Zugänge am rechten Elbufer sind nun gefährdet, die Hamburger ständig in Unruhe. Es sind immer die Scharpenbergs und ihre Leute, welche die heftigsten und gewalttätigsten Überfälle verüben.

Hermann von Scharpenberg schlägt im Dezember 1353 einem Hamburger auf dem Weg nach Oldesloe beide Beine ab und läßt ihn sterben. Hamburger Kaufleute auf dem Rückweg von Itzehoe werden mißhandelt, einer verwundet, einer getötet, zwei Pferde gestohlen. Und das alles waren damals erlaubte Fehdetaten. Endlich erfolgte ein Schiedsspruch Lübecks und die Fehden sind beendet. Henneke von Scharpenberg muß schwören, lübeckische Bürger und andere Leute in Zukunft nicht mehr zu berauben, sonst sei sein Leben verwirkt. Hauptmann Henneke wird 1386 erschlagen.

Zeittafel einiger Daten und Fakten

1259 Scharffenberg (Scarpenbergk, Scharpenberg, Scharffenbürgk)
Ritter von Scharpenbergh erstmals nördlich der Elbe genannt unter den Rittern und Knappen der Grafen Johann und Gerhard I. von Holstein und Schauenburg
1272 Das Geschlecht hat mehrere Besitze als Lauenburger Vasallen des Landesherrn.
1291 Angriff auf die Burg Linau und Steinburg bei Franzdorf der Ritter Ludolf und Hinrich.
1312 Graf Gerhard II. von Schauenburg greift Linau erfolglos an.
1338 Vergeblicher Angriff der Hamburger und Lübecker auf die Burg Linau.
1344 Die Herzöge von Lauenburg kaufen den Brüdern Heyno und Ludeke von Scharpenberg die Burg Linau ab. Die Ritter ziehen auf das Schloß Dartsingen (Neuhaus) in Mecklenburg, kehren aber bald mit Hilfe des Landadels zurück.
1349 Die Lübecker erobern und zerstören acht Ritterburgen in zehn Tagen, darunter Godschalk von Scharpenbergs „Steinburg“ (Nannendorp).
Großangriff der Grafen Gerhard und Johann von Holstein, Graf Adolf von Schauenburg, Herzog Erich von Lauenburg und der Hamburger und Lübecker Truppen (2.500 Mann) vom 8. - 29. September mit Hilfe von Belagerungsgeschützen aus Hamburg. 1.500 Hamburger und Lübecker zerstören die Burg Linau und machen sie dem Erdboden gleich.
etwa
1460
Neben Seedorf wahrscheinlich auch Niendorf a.d.St. im Besitz der Scharpenbergs.
1545 Scharpenbergs besitzen alle 20 Niendorfer Bauernstellen.
1558 / 59 Burchard v. Scharffenberg (vorher Scharpenberg) gestorben.
Vetter Hans v. Scharffenberg (* 1530 † 1567 Gutsherr in Heede bei Münster) vom Herzog belehnt. Hans Vollrath v. Scharffenberg (* 1560 † 1602, Sohn Burchards) wird Erbe.
1581 Hans Vollrath v. Scharffenberg läßt in Niendorf statt der alten St. Anna Kapelle eine Kirche bauen, die der Heiligen Anna geweiht wird; zugleich Errichtung einer Pfarre, wodurch der Weg zur Breitenfelder Kirche entfällt. Niendorf wird Kirchengemeinde, der Gutsherr erhält Anrecht auf Patronat, das ihm 1587 zugesprochen wird.
1598 Das Gut Niendorf ist wieder im Besitz des Landesherrn.
1611 Hans Vollrath v. Scharffenberg (* 1588 † 1635, Sohn des Kirchenstifters) mit Niendorf belehnt; Ehe mit Catharina von Ascheberg.
1614 Epitaph mit 16 Ahnenwappen in der Niendorfer Kirche
1617 Sohn Vollrath Heidenreich v. Scharffenberg (* 1606 † 1649) mit Gut Niendorf belehnt (nach seinem Tod folgt Bruder Rittmeister Hans v. Scharffenberg, (* 1607 † 1667), Ehe mit Maria Margarethe v. Göhren, überschuldet durch Kriegswirren (* 1618 - 1648: 30-jähriger Krieg)
1642 Hans v. Scharffenberg verpfändet das Gut an den Onkel Friedrich v. Pieningk, Obristwachtmeister in Glückstadt, der wiederum seine Forderung an den Obristen Jacob v. Wanken, Kommandant der Festung Glückstadt weitergibt, weil Hans v. Scharffenberg das Gut nicht einlösen kann.
1653 Verkauf an Jacob v. Wancken mit Lehnrecht für 15.500 Reichstaler. Hans v. Scharffenberg hat in seinem Testament von 1667 dem Predigtstuhl der Kirche 1.000 Reichstaler vermacht und 500 Reichstaler für den Unterhalt der Armen in Niendorf. Maria Margarethe v. Peterswaldt, geb. v. Göhren, vermacht 1694 der Kirche Niendorf 1.000 Reichstaler zum Unterhalt der Kirche und der Scharffenbergschen Begräbnisstätte. Die Scharffenbergs geben Niendorf ganz auf und kehren auf ihre anderen Güter in Mecklenburg und Pommern zurück.